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Gerhard-Mercator-UniversitätDuisburg
Institut für Ostasienwissenschaften
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Die Volksrepublik und die Republik China:

Die Gratwanderung zweier chinesischer Staaten zwischen Politik und Wirtschaft

Carsten Herrmann-Pillath



 

"Duisburger Arbeitspapiere Ostasienwissenschaften" No. 4


Inhalt1

  1. Dimensionen und Herausforderungen der Beziehungen zwischen beiden Seiten der Taiwanstraße
    1. Region der wirtschaftlichen Wunder oder der politischen Krisen?
    2. Die Verantwortung des Westens und der deutschen Außenpolitik
  2. Nationalismus und Kultur in der gespaltenen chinesischen Modernisierung des 20. Jhds.
  3. Wirtschaftsintegration, nationale Identität Taiwans und die internationale chinesische Kaufmannsgemeinschaft
    1. Die chinesische Integration: Wachstum, regionale Arbeitsteilung und komparative Vorteile
    2. Taiwanesische Festlandinvestitionen: Die neuen Festländer?
  4. Perspektiven der Stellung Taiwans im chinesischen Kulturraum und in der Weltgesellschaft
    1. Strategien Taiwans für das 21. Jahrhundert
    2. Die Einheit Chinas und die deutsche Politik

1. Dimensionen und Herausforderungen der Bezie hungen zwischen beiden Seiten der Taiwanstraße

1.1. Region der wirtschaftlichen Wunder oder der politischen Krisen?

Am 7.10.1995 hat Taiwans nationale Fluglinie, China Airlines, endgültig ihr neues Logo vorgestellt, das an die Stelle der Flagge der Republik China treten wird.2 Die größtenteils staatseigene Linie vollzieht diesen Schritt, da sie andernfalls nicht an der bald erwarteten Eröffnung direkter Routen zwischen Taiwan und dem Festland teilhaben könnte und also eines ungemein attraktiven Geschäftsfeldes verlustig ginge. Dies geschieht natürlich nicht ohne Zustimmung der Regierung, die ungeachtet der weiterhin schwierigen politischen Beziehungen zwischen der Republik und der Volksrepublik gerade zu Beginn dieses Jahres erneut und klar bekräftigt hat, daß die Intensivierung des wirtschaftlichen Austausches höchste Priorität besitzt.3 Hierfür gibt es innen- wie außenpolitische Gründe: Alle Parteien des inzwischen auf Taiwan entstandenen Mehr-Parteiensystems müssen einer starken Gruppe von Wählern, deren Einkommen direkt oder indirekt vom Handel und Wandel mit dem Festland abhängt, demonstrieren, daß sie eine konstruktive Haltung in dieser Frage einnehmen. Nach außen gerichtet, kann die enge wirtschaftliche Verflechtung mit dem Festland die Pekinger Führung in ein Netz ökonomischer Interessen einweben, die letztlich militärische Eskapaden unwahrscheinlich werden lassen.4 Auf den ersten Blick dürfte also die wirtschaftliche Entwicklung im chinesischen Kulturraum eine friedenstiftende Kraft zu sein. So erscheint dann auch der westlichen Politik der Raum kaum als krisenverdächtig, wie auch in der Entscheidung der Bundesregierung deutlich wurde, das Gebiet nicht mehr als "Krisengebiet" im Sinne der deutschen Gesetzgebung zu Waffenexporten zu betrachten.5 Die Spannungen zwischen beiden Seiten werden freilich immer dann schmerzhaft bewußt, wenn die VR China Marktzugangsbarrieren für Unternehmen jener Nationen errichtet, die es wagen, der Republik China Waffen zu verkaufen oder ihren politischen Status bilateral aufwerten, wie es durch die USA geschah, als im Sommer 1995 der taiwanesische Staatspräsident Lee Teng-hui erstmals ein "privates" Visum zum Besuch seiner Alma Mater Cornell erhielt.6 Vor allem zwischen den USA und der VR China spielt diese Frage inzwischen eine überragende Rolle in den bilateralen Beziehungen. Bevor wir uns also mit diesem Gegensatz zwischen politischer Spannung und wirtschaftlicher Dynamik näher beschäftigen, sollten die wichtigsten Dimensionen der Herausforderungen bezeichnet werden, die sich in der Region entfalten.

a) Insbesondere in Deutschland wird die wirtschaftliche Dynamik der Region oft verzerrt wahrgenommen: falsche politische Verantwortlichkeiten werden gesehen und falsche Erfolgszuweisungen angestellt. Die Dynamik des festländischen Marktes mit ihren großen Hoffnungen für ausländische Investoren ist wesentlich durch die wirtschaftliche Integration im chinesischen Kulturraum bedingt, und daher weniger einer aktiven wirtschaftspolitischen Strategie der VR China zuzurechnen.7 Gerade jene Gebiete Chinas, die besonders dynamisch sind, sind auch solche, die den stärksten Zustrom auslandschinesischen und auch taiwanesischen Kapitals erfahren. Insofern gilt aber umgekehrt, daß eine Bewahrung dieser Dynamik nur möglich sein wird, wenn auch die innerchinesische Internationalisierung des Festlandes politisch stabilisiert werden kann. Daher hat die außenpolitische Auseinandersetzung mit der Region stets das System der verschiedenen politischen Einheiten mit gleicher Gewichtung ins Auge zu fassen, und nicht, wie leider eher üblich, gerade die Interessen und Forderungen der VR China einseitig stark zu berücksichtigen.

b) Politisch tritt vor allem in den bilateralen Beziehungen USA/VR China zu Tage, daß die westliche Politik an den Rand der Glaubwürdigkeit ihrer eigenen normativen Grundlagen getrieben wird. Beobachter weisen den USA nicht ohne Berechtigung einen großen Teil der Verantwortung an der Verschlechterung der Beziehungen zu, denn in der Tat ist die Regierung Clinton aus chinesischer Sicht zu einem schwer berechenbaren Dialogpartner geworden.8 Auf der anderen Seite aber besteht das reale Problem, daß im "Kampf der Kulturen" Taiwan zu einem der wichtigen (ähnlich wie auch Südkorea) Fälle geworden ist, wo sich asiatische Werte mit einer - sicherlich noch jugendlich-ungeordneten - Demokratie vereinen, und mithin solchen Ideologien die empirische Grundlage entzogen wird, die dem asiatischen Autoritarismus eine dauerhafte Bedeutung für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Dynamik der Region zuschreiben, wie etwa die Propagandisten des "neokonfuzianischen Modells Singapur" behaupten.9 Dann ist aber der Westen verpflichtet, klare Positionen zu beziehen. In diesem Zusammenhang ist das Problem der Republik China besonders schmerzhaft, da die Verdrängung Taiwans von der offiziellen internationalen Bühne nichts anderes ist als ein Unrechtstatbestand, der durch keine Norm des internationalen Rechts schlüssig begründet werden kann.10 Der Westen gibt aber die von ihm selbst vertretenen Werte in dem Fall auf, daß Machtpolitik und wirtschaftliche Interessen über alle anderen Wertskalen obsiegen. Die eindeutige pro-taiwanesische Stimmung in den USA, aber auch in anderen westlichen Politikzirkeln, ist auf ein entsprechendes Unbehagen mit dem eigenen Verhalten zurückzuführen.

c) Besonders bedenklich ist in dieser Hinsicht, daß ein gewisser Zweckoptimismus zur Folge hat, die militärischen Krisenpotentiale in der Region zu unterschätzen.11 Freilich hängt dies auch damit zusammen, daß die tatsächlichen Interessen und Wahrnehmungen der Beteiligten höchst undurchsichtig sind, und daß die nach außen demonstrierten Haltungen zum Teil eher innere Probleme und Konflikte widespiegeln. So ist die Propagierung von "T-day" Szenarien in Taiwan sicherlich ein lukratives journalistisches Geschäft mit den Sorgen der Bevölkerung, und erscheint es für die Legitimation bestimmter politischer Positionen als wichtig, die militärische Bedrohung durch die Volksrepublik als besonders brisant darzustellen.12 Auf der anderen Seite der Taiwanstraße gibt es offenbar recht gegensätzliche Positionen in unterschiedlichen Institutionen wie dem Außenministerium und der Volksbefreiungsarmee. Dennoch sollte klar sein, daß die nationalen Ansprüche der VR China in den letzten Jahren eindeutig auch im Sinne militärischer Potentiale umgesetzt werden, und daß somit ein echtes Problem militärischen Gleichgewichts in der Region entsteht.13

1.2. Die Verantwortung des Westens und der deutschen Außenpolitik

Vor dem Hintergrund dieser drei Dimensionen muß also grundsätzlich festgestellt werden, daß für alle Akteure der Weltpolitik ein substantielles Interesse bestehen muß, eine vorausschauende Politik der Krisenprävention zu verfolgen, und nicht, wie in anderen, wichtigen Fällen der jüngeren Zeit, erst beim Kitten der Scherben über Krisen und ihre Gründe nachzudenken. Eine politische und militärische Destabilisierung der Region liegt im Bereich des Möglichen und würde im Falle des akuten Auftretens die Träume von der "Weltwirtschaftsmacht China" platzen lassen. Wenn der Westen also die wirtschaftliche Dynamik bewahren und fördern will, ist er gehalten, eine konstruktive, aktive Politik der Krisenvermeidung zu betreiben.

Dies gilt vor allem auch für Deutschland. Deutschland betreibt bislang eine vorsichtige Politik der Anpassung und wohlgesinnten Begleitung der Entwicklungen, mit zeitweiligen Verweisen auf Fragen der Menschenrechte, insgesamt aber ohne eine klare Linie zu Grundsatzfragen wie dem Taiwan-Problem, das sich nur wegen der massiven Oktroyierung der Thematik durch Beijing auf die Frage des "Ein-China" zu reduzieren scheint: Diese groben Kategorien spiegeln aber keine eigenständige außenpolitische Wahrnehmung und Position des Westens wider, sondern kolportieren lediglich die Sicht der VR China. Rechtfertigung erfährt diese Haltung durch die wissenschaftlich kaum abzustützende These, wirtschaftliche Entwicklung würde über kurz oder lang zu Demokratisierung führen: Dabei zeigt gerade die deutsche Geschichte, daß dieser - sicherlich langfristig notwendige Zusammenhang - mit gewaltigen politischen Rückschlägen und schlimmsten Fehlentwicklungen verbunden sein kann, die sich in der VR China bereits anzudeuten scheinen.14 Deutschland hätte aber eigentlich die Möglichkeit und - meiner persönlichen Ansicht nach - auch die Verpflichtung, eine konstruktive, gestaltende Ostasienpolitik in der Region selbst zu betreiben, die auf klaren Vorstellungen über künftige Ordnungsverhältnisse im pazifischen Raum beruht und sich nicht in die amerikanisch-asiatischen Schaukämpfe von "Kulturen" verwickeln lassen sollte, in denen Systeme als "Modelle" verkauft werden, von denen, wie im Fall Singapur, in der Region gewitzelt wird, "they go into the grave with their leaders". Bislang wird aber eine kreative Vermittlungs- und gegebenenfalls sogar geistige Dialogfunktion weltweit im wesentlichen eben jenen Vereinigten Staaten überlassen, die aber wegen ihrer strategischen Interessen und Lasten ebenso wie wegen einer normativ wesentlich zugespitzteren Ausrichtung von Außenpolitik selbst ein pazifischer Akteur und damit kaum noch unabhängig sind. 15 Japan ist wegen der weiterhin unbewältigten Weltkriegsvergangenheit ebenfalls belastet, tatsächlich aber bemüht, eine balancierende Rolle zu spielen, nicht zuletzt, weil die eigenen wirtschaftliche Aktivitäten auf dem Festland immer stärker auf Vernetzungen mit der chinesischen Gemeinschaft angewiesen sind.16 Großbritannien ist wegen der Hong Kong-Frage kaum zusätzlich zu beanspruchen, und Länder wie Frankreich besitzen in der Region nicht die hohe Reputation wie Deutschland.

So ist Deutschland also eigentlich der unwillige "Dritte" in einer zunehmend komplizierter werdenden ostasiatischen Region. Die deutsche Außenpolitik hat diese Sachlage, wie es scheint, noch gar nicht wahrgenommen und krankt unter anderem an einer zum Teil erstaunlichen Naivität und Uninformiertheit über die Region, verbunden mit oft unverständlichen diplomatischen faux pas. Versuchen wir also, dem Kern der Problematik der Beziehungen zwischen Taiwan und der VR China etwas näher zu kommen.


2. Nationalismus und Kultur in der gespaltenen chinesischen Modernisierung des 20. Jhds.

Die Hauptschwierigkeit, die Beziehungen zwischen beiden Seiten der Taiwanstraße zu verstehen, besteht darin, daß die Entfaltung der wirtschaftlichen Integration vor dem Hintergrund eines historisch tief verwurzelten Problems der nationalstaatlichen Modernisierung Chinas stattfindet, und daß jede einigermaßen realistische Lösung der Probleme - abgesehen von der langfristigen Fortschreibung des Status quo - einen weitreichenden Wandel kultureller Werte voraussetzt.

Als Ergebnis des militärischen Konfliktes zwischen unterschiedlichen politischen Kräften der ersten Hälfte des 20. Jhds hatten sich in China zwei politische Parteien als Hauptakteure durchgesetzt, die beide als politischen Grundwert die Einheit Chinas unter Führung einer zentralstaatlichen Macht und auf der Basis einer nationalistischen Konzeption von "Chineseness" vertraten. Dies ist deshalb bemerkenswert, weil mit der Kommunistischen Partei ebenso wie mit der leninistisch organisierten Guomindang Sun Yatsens im Grunde organisatorische Instrumente gefunden worden waren, um den klassischen unitarischen Zentralstaat Chinas über den Zusammenbruch des Kaisertums hinwegzuretten, das eine seiner partikularen, aber sicherlich bedeutendsten Institutionen war.

Die jüngere wissenschaftliche Diskussion um den chinesischen Nationalismus ist von Vorstellungen abgerückt, zwischen dem traditionellen "Kulturalismus" (also der politischen Legitimation der Zentralmacht durch ihre Schlüsselposition im kulturellen Repertoire nach innen und außen) und dem "Nationalismus" als Phänomen des Übergangs zu moderner Staatlichkeit einen Gegensatz bzw. eine Entwicklungsfolge zu konstruieren. Stattdessen wird nun gerade der Nationalismus als Ausdruck der Kontinuität des unitarischen Zentralstaates begriffen, insoweit dieser ein konstitutives Merkmal der chinesischen "Great" ebenso wie der "Little Tradition" war und ist.17 Beide chinesischen staatsbildenden Kräfte haben entsprechend sehr früh ein politisches Programm vertreten, das die formale Einheit und Einheitlichkeit der chinesischen Nation gegen die Realität großer regionaler und lokaler Unterschiede durchzusetzen suchte, die stets als dysfunktional und rückwärtsgewandt begriffen wurde. Ganz in der Tradition konfuzianisch-moralisierender Geschichtsschreibung ist auf beiden Seiten der Taiwan-Straße gezielt das historische Gedächtnis von chinesischen Alternativen ausgelöscht worden, die als Folge der zunehmenden Regionalisierung Chinas in der späten Qing-Zeit vor und nach dem Sturz der kaiserlichen Institutionen im Jahre 1911 entstanden waren. Chinas modernste und fortschrittlichste politische Vorschläge zur Verfassungsbildung - ganz im Sinne des Übergangs zu moderner Nationalstaatlichkeit - auf föderaler Grundlage, die damals in den Wettbewerb der politischen Kräfte und Ideen eintraten, wurden moralisierend mit der Realität des Bürgerkrieges und der Warlordisierung zu einem Gesamtbild der "Gegenmodernisierung" verwoben und damit denunziert und diffamiert. Die damals lauten, weit verbreiteten und zunehmend stärkeren Forderungen nach staatlicher Autonomie von Provinzen als Grundlage einer freiwilligen Neukonstitution der zentralen Macht zeigen in aller Deutlichkeit, daß die Existenz des unitarischen Zentralstaates keine Selbstverständlichkeit der politischen Entwicklung Chinas ist.18 Mit Gewalt haben dann beide Kräfte ihr kulturalistisch-nationalistisches Programm durchzusetzen gesucht. In der VR China geschah dies entweder auf dem Wege der Etablierung einer zentral kontrollierten, kommunistischen Bürokratie, die ihren einheitlichen Stempel allen Vorgängen im Lande aufzuzwingen versuchte, oder auf dem Wege der Propagierung quasi-religiöser Massenbewegungen des Maoismus. In der Republik China wurde der lokalen Bevölkerung ein von der regierenden Guomindang konzipiertes, kulturelles Konzept von "Chineseness" oktroyiert, das ähnlich tief und brutal in die gesellschaftlichen Verhältnisse eingriff wie der japanische Kolonialismus, und die Einheit der chinesischen Kultur in der Normierung von Sprache, Kochbüchern, Architektur oder Kleidung zu suggerieren suchte.19

Aus dieser Perspektive müssen die inneren Entwicklungen auf beiden Seiten der Taiwan-Straße in den achtziger und neunziger Jahren eigentlich in sehr ähnlicher Weise gedeutet werden, nämlich als schrittweise Rücknahme kulturalistischer Ansprüche der jeweiligen Zentralmacht mit dem Ziel, die immer schärfer werdende Spannung zwischen Lokalismus und Zentralmacht zu lösen.

In der Republik China ist entsprechend die rasche Demokratisierung der Gesellschaft wesentlich auch darauf zurückzuführen (neben dem Entstehen einer starken Mittelschicht), daß sie notwendige Bedingung einer unumgänglichen Taiwanisierung wichtiger Institutionen war, sollte das Bild der einheitlichen chinesischen Kultur nicht letztlich an einem (sub)ethnischen - und damit kulturell desintegrativen - Konflikt zwischen Festländern und Taiwanesen auf Taiwan zerbrechen. Entsprechend besaß auch die Frage der Unabhängigkeit Taiwans lange Zeit eine zentrale Rolle für die Ausdifferenzierung der politischen Kräfte (und weniger innertaiwanesische Sachfragen), nachdem sich politischen Parteien in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre formieren durften.20 In der Volksrepublik wiederum hatte der maoistische Radikalismus in paradoxer Weise eine zunehmende gesellschaftliche Desintegration zur Folge gehabt, die nur dadurch aufzufangen war, indem der faktisch gestärkte Lokalismus eine konstruktive Funktion erhielt, nämlich als treibende Kraft der institutionellen Veränderungen und der wirtschaftlichen Entwicklung nach 1978.21

Beide Prozesse hatten aber zur Folge, daß eine grundlegende Neudefinition der Beziehungen zwischen beiden Seiten notwendig wurde, die eigentlich bis heute nur ansatzweise gefunden worden ist. Während die Guomindang inzwischen ihren Anspruch als regierende Partei auch des Festlandes aufgegeben hat, beharrt die KPCh weiterhin auf der Position, Taiwan sei eine Provinz Chinas und damit formal der Zentralregierung in Peking untergeordnet. Noch wichtiger ist aber der Tatbestand, daß in der Dyade PRC/ROC die Seite Taiwans für die Volksrepublik viel schwerer berechenbar geworden ist, da seine zunehmend pluralistische und demokratische Gesellschaft eine Eigendynamik auch in Fragen der Festlandpolitik entfaltet, die aus der Sicht Pekings nur noch indirekt gesteuert werden kann, wie etwa in Gestalt des Versuches, Wählerpräferenzen durch Demonstrationen militärischer Macht zu beeinflussen. Aus der Sicht vieler Taiwanesen versucht die VR China aktiv, durch politische und militärische Akte die Gesellschaft, aber auch konkret die Wirtschaft - etwa in Gestalt ihrer Börse - der Insel zu verunsichern.22 Freilich ist für die regierende Guomindang die eigene Gesellschaft eigentlich ähnlich schwierig geworden. Der taiwanesische Präsident Lee Teng-hui muß sich von vielen Seiten den Vorwurf gefallen lassen, er vertrete die chinesische Einheit nurmehr als Lippenbekenntnis - und tatsächlich sind die politischen Parolen und Reden derart verklausuliert und für Außenstehende schwer verständlich, daß die tatsächliche Überzeugung kaum nachvollziehbar ist.23 Umgekehrt reagierten die taiwanesischen Medien mit großer Aufregung, als der Parteivorsitzende der "Democratic Progressive Party", Shih Ming-te, in den USA verkündete, die DPP würde im Falle eines Wahlsieges nicht zwingend sofort die Unabhängigkeit erklären - nach seiner Rückkehr wurde erläutert, in Entsprechung mit der Auffassung der Mehrheit der Parteimitglieder sei diese Bemerkung so aufzufassen, daß Taiwan angesichts der gewandelten politischen Verhältnisse bereits ein unabhängiger Staat sei, der dies nicht mehr gesondert zu erklären brauche, sondern nurmehr formale Fragen der Repräsentation dieses Status nach außen zu lösen habe.24

Derartige politische Schauspiele und Schachzüge werden nun aber erheblich verkompliziert durch den Prozeß der wirtschaftlichen Integration beider Seiten der Taiwanstraße, dem sich alle Parteien und Positionen als Tatsache zu stellen haben.


3. Wirtschaftsintegration, nationale Identität Taiwans und die internationale chinesische Kaufmannsgemeinschaft

3.1. Die chinesische Integration: Wachstum, regionale Arbeitsteilung und komparative Vorteile

An dieser Stelle ist kein Raum, auf die wirtschaftlichen Aspekte der chinesischen Integration im Einzelnen einzugehen.25 Wir wollen uns stattdessen auf die politischen und kulturellen Aspekte konzentrieren, und es bei der Feststellung bewenden lassen, daß zwar die politischen Spannungen des Jahres 1995 die Dynamik der Integration verlangsamt haben, doch weiterhin gilt, daß die Volksrepublik China nun der mit Abstand wichtigste Wirtschaftspartner Taiwans geworden ist. In Zahlen ausgedrückt:26 Gewöhnlich wird diese Entwicklung mit der Überlegung in Verbindung gebracht, daß möglicherweise Abhängigkeiten für Taiwan entstehen, die letztlich auch seine politische de-facto Autonomie gefährden. Genauere Analysen belegen dies aber nicht, soweit die wirtschaftlichen Aspekte im engeren Sinne betroffen sind:29 Die Verlagerung von Industrien zum Festland geschieht bislang nach dem Prinzip komparativer Vorteile und ist entsprechend, wenn überhaupt, mit der Entstehung gegenseitiger, nicht einseitiger Abhängigkeit verbunden, und betrifft auf Taiwan in der Regel Industrien mit ohnehin großen Anpassungsproblemen im übergreifenden pazifischen Strukturwandel. Auf der anderen Seite führt die Abwanderung aber zu starken Nachfrageeffekten für die einheimischen Produzenten und belebt die taiwanesische Wirtschaft, die gerade im Jahre 1995 mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen hat (Krise der Kreditgenossenschaften und neuer privater Banken, Überangebot und Preisverfall im Immobiliensektor, Tiefgang der Börse usw.). Einfache Schätzungen weisen zwar auf einen insgesamt schwach negativen Effekt für die künftige Investitionstätigkeit in Taiwan hin, doch sind solche Prognosen stark von den unterstellten institutionellen und weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen abhängig. Hinzu kommt, daß taiwanesische Unternehmen eine aktive internationale Diversifikation betreiben und dabei zum Beispiel versuchen, hochwertige Produkte an europäischen Standorten mit dortigen Technologien und Organisationsmitteln herzustellen.30 Dies kann letzten Endes zu internationalen Vernetzungen zwischen verschiedenen Tochterunternehmen an unterschiedlichen Standorten und Positionen in der internationalen Wertschöpfungskette führen, wie etwa mit viel Mühe durch den Computerproduzenten Acer angestrebt.

Daß die Regierung Taiwans die Auswirkungen der wirtschaftlichen Integration mit dem Festland genauso sieht, demonstriert die Tatsache, daß ungeachtet der politischen Spannungen wichtige wirtschaftspolitische Maßnahmen weiter implementiert und angestoßen werden, wie etwa Verhandlungen zwischen Staatsunternehmen der Petrochemie beider Seiten zur Frage der gemeinsamen Exploration des südchinesischen Meeres (eine auch außenpolitisch sensible Frage), die Einrichtung einer indirekten Flugroute über Macao-Peking/Shanghai oder das erneut verstärkte Bemühen, direkten Schiffsverkehr zwischen dem Festland und einer eigens geschaffenen Freihandelszone im Hafen von Kaohsiung einzurichten. Selbst Gespräche über eine Zusammenarbeit im Bereich der militärischen Forschung und Entwicklung sind möglich und offenbar aussichtsreich.31 Insofern ist die eigentlich zentrale Frage diejenige, inwieweit die wirtschaftliche Integration letzten Endes die Stabilisierung der taiwanesischen Demokratie dadurch gefährdet, daß sie eine nationale Identität der Wirtschafts-Bürger Taiwans unterminiert. 

3.2. Taiwanesische Festlandinvestitionen: Die neuen Festländer?

In diesem Zusammenhang sind vor allem zwei prinzipielle Überlegungen bedeutsam, die an die oben skizzierte Problematik der Beziehung von Kultur und Nationalismus in China anknüpfen. Zum einen bedeutet die wachsende Bindung taiwanesischer Unternehmer an das Festland natürlich, daß viele ihrer Probleme und Interessen nur noch im Dialog mit den Autoritäten der VR China, nicht aber der Republik China Berücksichtigung finden können.32 Zum anderen wäre es jedoch verfehlt, diese Interessenartikulation nicht von vornherein in einen regionalen Kontext zu stellen, denn der Wettbewerb von Regionen um taiwanesisches Kapital bedeutet natürlich auch, daß die Regionen gegebenenfalls gemeinsame Interessen mit den taiwanesischen Investoren besitzen und damit einheitliche nationale Strategien der Taiwan-Politik der KPCh gebrochen werden. Dies wird selbst bei wesentlichen außenpolitischen Manövern der VR China augenfällig, denn beispielsweise ist die Politik der Einschüchterung, die im Sommer 1995 von der Pekinger Zentralregierung gegenüber Taiwan betrieben worden ist, gar nicht auf Zustimmung jener Provinzen gestoßen, die stark auf den Zustrom taiwanesischen Kapitals angewiesen sind und die Auswirkungen der Spannungen rasch durch weitere Verbesserungen der Investitionsbedingungen aufzufangen suchten.33

Zugespitzt gesprochen, ist also eine regional verwurzelte, gleichwohl internationalisierte chinesische Kaufmannsgemeinschaft im Entstehen begriffen, die nach gewissen gewohnheitsrechtlichen Normen und der internationalen lex mercatoria interagiert, und die als Gesamtheit keinesfalls deckungsgleich ist mit der Reichweite nationalstaatlicher Ansprüche auf beiden Seiten der Taiwanstraße.34 Beide Regierungen versuchen, die Entwicklung von Institutionen dieser Kaufmannsgemeinschaft im eigenen Interesse zu steuern, denn die Möglichkeit der Kooptation durch die Gegenseite besteht natürlich im Falle taiwanesischer Geschäftsleute ebenso wie im Falle Kader und Manager der VR China. Die in Frage stehenden Prozesse sind aber komplex und nur auf lokaler Ebene wirklich nachvollziehbar.

Inzwischen - nachdem die VR China im Rahmen der einseitigen Verkündigung des Investitionsschutzgesetzes für Taiwanesen und nach langem Zögern die entsprechende Rechtsgrundlage geschaffen hat - organisieren sich die taiwanesischen Kaufleute landesweit in regionalen Verbänden, wobei freilich eine nationale Repräsentation untersagt bleibt, informell aber über die Vermittlung des Pekinger Verbandes stattfindet.35 Aus der Sicht der VR China können diese Verbände als Instrument langsamer Kooptation auf lokaler Ebene dienen, denn nolens volens müssen die Verbände Vertreter der festländischen Seite aufnehmen, um überhaupt in Gesprächskontakte eintreten zu können; hinzu kommt, daß für maximale Transparenz der Vorgänge in den Verbänden gesorgt werden muß, um jeglichen Verdacht politischer Betätigung auszuräumen. Hier finden verschiedene Lösungen Anwendung, von "Ehrenberater"-Positionen für den Leiter des lokalen Büros für Taiwan-Angelegenheiten (eine stark von der Pekinger Zentrale kontrollierte Einrichtung) und anderer Abteilungen der lokalen Regierung bis hin zur automatischen Mitgliedschaft der festländischen Joint-Venture-Partner.

Für die Republik China werden die Verbände wiederum zu einer wichtigen Instanz der Kommunikation zwischen Regierung und taiwanesischen Festlandunternehmen, etwa in Gestalt regelmäßiger Veranstaltungen in Taiwan, an denen Vertreter der taiwanesischen Verbände teilnehmen. Auf Zusammenkünften wie der "Tai shang shijian", die "Zeit für taiwanesische Festlandunternehmer" des Wirtschaftsministeriums, aber auch zunehmend bedeutenderen Großveranstaltungen, setzen sich hohe Vertreter der Regierung unmittelbar mit Problemen der Kaufleute auseinander wie etwa der Frage der taiwanesischen Importregulierungen, aber auch mit grundsätzlichen Aspekten der taiwanesischen Festlandpolitik.36

Insofern ist die Bedeutung der Verbände für die Frage der nationalen Identität der Taiwanesen auf dem Festland schwer einzuschätzen; dies spiegelt interessanterweise ähnliche Probleme bei der Analyse festländischer Assoziationen wider, die im Rahmen der Anwendung des Korporatismus-Paradigmas auf China eine große Rolle erhalten hat.37 Denn die Anwesenheit lokaler Vertreter des Staates in Verbänden bedeutet nicht zwingend, daß diese Vertreter auch die Steuerungsinteressen der Zentralregierung realisieren, sondern kann auch dazu führen, daß sich eine regionale, staatlich-private Interessengemeinschaft formiert, also ein regional-korporatistisches, nicht aber national-korporatistisches Politikregime entsteht. Hier sind viele Konstellationen denkbar und auch bereits aufgetreten. Lokale Regierungen können, wie in Fujian, eine aktive Standortpolitik betreiben und in Kooperation mit taiwanesischen Kaufleuten Maßnahmen der Deregulierung und Infrastrukturpolitik durchführen, oder es können, wie in Shanghai, auch direkte Interessenkonflikte zwischen taiwanesischen und festländischen Exporteuren auftreten, wenn etwa der Marktzutritt in den USA durch Quoten beschränkt ist und sich nun die Frage stellt, wie derartige Quoten auf die unterschiedlichen Produzenten in der VR China verteilt werden.38

Dieses Beispiel verdeutlich gut, daß derartige Institutionen bislang weder eindeutig im Sinne der festländischen Strategie der "friedlichen Wiedervereinigung" noch im Sinne der taiwanesischen Hoffnung auf "friedliche Evolution" des Festlandes zur Demokratie gedeutet werden können: Zudem ist nur der kleinere Teil der Investoren in den Verbänden organisiert, da viele gerade die indirekte Kontrolle durch die festländische Seite meiden. Spitzt man die Frage jedoch in Richtung des Problems der nationalen Identität zu, dann läßt sich wohl einigermaßen klar erkennen, daß die Interessenkonstellationen weiterhin die taiwanesische Kaufmannschaft als Subgruppierung der internationalen chinesischen Kaufmannsgemeinschaft bewahren.39 In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, daß gerade die Festlandaktivitäten vornehmlich von gebürtigen Taiwanesen realisiert werden, die den Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen in Taiwan dominieren, während die gebürtigen Festländer eher eine untergeordnete Rolle spielen, da sie zumeist in Bereichen von Staat und Politik Taiwans tätig sind, die bislang nur marginal vom Festlandgeschäft betroffen sind. Um so bemerkenswerter ist es aber, daß in Taiwan soeben eine Auseinandersetzung zur Frage der nationalen Identität der taiwanesischen Kaufleute auf dem Festland beginnt.40 Ein Forschungsbericht für den "Mainland Affairs Council" hat in deutlichen Worten die These formuliert, daß sich bei vielen Festlandunternehmern die Neigung zeigt, auf dem Festland "Wurzeln zu schlagen" ("ben tu hua") und daß sich eine Migrantenhaltung verfestige ("yi min xingtai"). Der Grund bestehe darin, daß zwischen festländischen Kadern und Taiwanesen eine "Interessengemeinschaft" entstanden sei ("li yi gongtongti"): Die taiwanesischen Unternehmer sind in vielerlei Hinsicht auf die Unterstützung durch Kader angewiesen (Versorgung mit Energie und Wasser, Schutz vor irregulärer Besteuerung etc.), andererseits suchen die Kader die Nähe der reichen "Landsleute" ("tong bao"), um viele kleine Gefälligkeiten zu genießen. Es gibt auch sehr erfolgreiche Taiwanesen, die auf dem Festland mit Nichts begonnen haben, nun dort hohes Ansehen genießen, mit höchsten regionalen Eliten verkehren und gegenüber der eigenen Regierung die Auffassung vertreten, diese habe sie stets als "Waisenkinder" behandelt und möge sich nun nicht beklagen.

Diese Diskussion wird noch weite Kreise ziehen, denn eine "Umpolung" der mehr als 20.000 Unternehmer und zum Teil auch Unternehmerfamilien würde mit Sicherheit sehr weitreichende Folgen für die Beziehungen zwischen beiden Ländern haben. Argwöhnisch wird also etwa das Verhalten der Taiwanesen beim Nationalfeiertag der Volksrepublik China betrachtet, da sie von den lokalen Autoritäten mehr oder weniger zur Teilnahme an den Feierlichkeiten gedrängt werden. Die Vertreter taiwanesischer Vereinigungen weisen hingegen darauf hin, daß es sich bei all solchen Verhaltensweisen nur um zwangsweise Anpassungen an das Unvermeidliche handele, nicht aber um eine Veränderung der eigenen Identität, die sich auch künftig in weitreichenden Unterschieden der Normen, Sitten und Standards niederschlage. Dennoch ist sicherlich zu beachten, daß manche der taiwanesischen Unternehmerverbände zunehmend auch lokale Ordnungsfunktionen erhalten und beispielsweise nicht nur an der lokalen Infrastrukturentwicklung teilhaben, sondern unter Umständen sogar zur Finanzierung und Organisation von Ordnungskräften beitragen, wenn die lokalen Behörden nicht mehr der wachsenden Probleme der öffentlichen Sicherheit Herr werden.41

Allerdings besitzt die Position der taiwanesischen Kaufmannschaft in der gesamtchinesischen Kaufmannsgemeinschaft auch eine starke regionale und internationale Komponente. Taiwan wird etwa mehr und mehr zu einer wichtigen Drehscheibe für die Aktivitäten amerikanischer Chinesen bzw. Taiwanesen auf dem Festland, und umgekehrt werden zum Beispiel Serviceleistungen für taiwanesische Investoren in Kooperation zwischen einer festländischen Einrichtung und einem amerikanischen Investment-Broker unter Leitung eines US-Chinesen entwickelt.42 Innerhalb der pazifischen Region investieren taiwanesische Mutterunternehmen in verschiedenen Gebieten, um etwa, wie im Falle Vietnams, besondere Vorteile im Außenhandel dieser Gebiete zu nutzen (wie die vietnamesisch-französischen Beziehungen als Eintrittstor zum europäischen Markt) und die möglichen Kontakte zur dortigen Chinesen geschäftlich zu aktivieren.43 Doch bedeutet dies auch, daß im Kontakt mit anderen auslandschinesischen Gemeinschaften und den Hong Kong-Chinesen erneut Aspekte der nationalen Identität Taiwans berührt werden, etwa im Bereich der populären Kultur, und damit vielleicht weniger eine Auflösung taiwanesischer Identität in der nationalen Identität der VR China, als vielmehr einer grenzüberschreitenden chinesischen Kultur der Moderne erfolgt.

Fassen wir zusammen: Die wirtschaftliche Integration zwischen Taiwan und dem Festland berührt bislang die nationale Identität Taiwans nicht direkt im Sinne der wachsenden realen Abhängigkeit vom Festlandgeschäft, aber indirekt im Sinne einer Erosion des "Taiwan-Bewußtseins" im Medium einer internationalen "Chineseness". Welche politischen Konsequenzen ergeben sich dann für die Beziehungen zwischen beiden chinesischen Staaten?


4. Perspektiven der Stellung Taiwans im chinesischen Kulturraum und in der Weltgesellschaft

4.1. Strategien Taiwans für das 21. Jahrhundert

Die Ende der achtziger Jahre in Taiwan weit verbreitete Vorstellung, die Abwanderung seines gewerblichen Industrie auf das Festland werde zu einer "Aushöhlung" ("kongdong hua") seiner Wirtschaft führen, ist heute nicht mehr haltbar. Dennoch ist eindeutig erkennbar, daß die weitergehende Integration schon rein wirtschaftlich eine große Herausforderung für Taiwan darstellt. Diese Herausforderung trifft auf eine gesellschaftliche Grundstimmung in Taiwan, die sich selbst von Krise zu Krise stolpern sieht und gerade 1995 durch das Zusammentreffen zwischen inneren wirtschaftspolitischen Problemen und äußerer Spannung einen weiteren Schub zum Pessimismus erhalten hat.44

Die Regierung hat auf diese Herausforderung mit dem Konzept reagiert, erstens, die regionale Diversifikation der taiwanesischen Investitionen aktiv zu fördern (sogenannte "Südstrategie" vom Beginn des Jahres 1994), und zweitens, sie plant, Taiwan zu einem regionalen Verkehrs-, Kommunikations- und Finanzzentrum fortzuentwickeln, das freilich anders als Hong Kong auch eine große Bedeutung als Standort für technologisch weit entwickelte Industrien und vor allem auch Multinationale Unternehmen besitzen soll, die im ostasiatischen Wirtschaftsraum mit einer besonderen Ausrichtung zum chinesischen Festland operieren.45

Im Prinzip ist diese Vorstellung eine notwendige Konsequenz der realen Erfordernisse, die aus einer weitergehenden Liberalisierung des Außenwirtschaftssystems im Kontext des baldigen WTO/GATT-Beitritts entstehen, und wenn gleichzeitig die Integration mit dem Festland weiter zunimmt.46 Eine Internationalisierung Taiwans bedeutet nämlich auch, daß der Einfluß der festländischen Wirtschaft auf Taiwan weiter zunehmen wird, und zwar dann in Gestalt festländischer Exporte nach Taiwan und vor allem auch möglicher Kapitalimporte aus der VR China. Bezüglich des ersteren verfolgt Taiwan schon seit längerem eine Handelspolitik der raschen Öffnung, denn es kann nur dann Standort für Industrien an fortgeschrittenen Positionen der Wertschöpfungskette bleiben, wenn diese Industrien die Option besitzen, das Festland als verlängerte Werkbank zu verwenden und Halbfertigprodukte eigener Unternehmen zu re-importieren, um sie in Taiwan weiter zu verarbeiten und mit dem Label "Made in ROC" zu versehen. Gleiches gilt dann natürlich auch für multinationale Unternehmen, die eine koordinierte Standortpolitik im gesamten chinesischen Kulturraum betreiben, wie zunehmend die japanischen Großunternehmen. Ähnlich klare Zusammenhänge zwischen Standortsicherung und Liberalisierung gibt es auch in anderen Bereichen. Das bedeutet aber gleichzeitig, daß festländische Exporteure, seien sie taiwanesische oder andere, wachsenden Wettbewerbsdruck auf taiwanesische Produzenten ausüben.47 Je besser sich also die festländische Industriestruktur zumindestens in einigen Regionen entwickelt, desto wahrscheinlicher würde eine Abwärtsspirale von Importdruck und weiterer Abwanderung von Industrien auf Taiwan. Insofern ist eine rasche Anpassung der taiwanesischen Industriestruktur ein zwingendes Gebot und hat weitreichende Implikationen etwa für die Deregulierung des gesamten Dienstleistungsbereiches, die Praxis der Vergabe öffentlicher Aufträge oder die Arbeitsmarktpolitik.

Wirklich problematisch könnte freilich die Öffnung des Kapitalmarktes werden, wenn auf diese Weise das sogenannte "rote Kapital" die Möglichkeit erhielte, ähnlich wie bereits in Hong Kong direkt Einfluß auf die taiwanesische Wirtschaft auszuüben und Kontrollmacht in Unternehmen an sich zu ziehen.48 Wegen des hybriden Charakters vieler Unternehmen der VR China besitzt die KPCh weitreichende Möglichkeiten, über Fusionen und Unternehmenskäufe letzten Endes politische Machtpositionen in der Wirtschaft zu erlangen. Taiwan reagiert auf diese Problematik bislang mit besonderen Regulierungen für die Aktivitäten von Unternehmen Hong Kongs, in deren Hintergrund "rotes Kapital" steht.49 Aber auch, was die taiwanesischen Unternehmen betrifft, so zeichnen sich bereits heute Probleme ab, denn viele Töchter auf dem Festland sind inzwischen schon größer als die Mutterunternehmen in Taiwan. Fehlentwicklungen etwa von taiwanesischen Unternehmen, die auf dem Festland börsengängig sind, könnten also auf die Mutter durchschlagen und den taiwanesischen Kapitalmarkt destabilisieren, weil nach wie vor viele Festlandunternehmen wesentlich von der Finanzierung über die taiwanesische Mutter abhängen.50

Ein wesentlicher Aspekt der Anpassungsstrategie Taiwans besteht natürlich auch darin, daß es nur auf der Grundlage der Devise "Stillstand ist Rückschritt" seinen Einfluß in der asiatisch-pazifischen Region bewahren und möglicherweise ausbauen kann. Wirtschaftliche Liberalisierung und Wachstumspolitik stehen im Zentrum fast aller Bemühungen in der Region, politische Prozesse und Entscheidungen in verschiedenen Institutionen und Organisationen zu koordinieren.51 Naturgemäß ist dabei der Einfluß des mächtigen Kapitalexportlandes Taiwan groß und wird nur durch die Möglichkeiten der VR China begrenzt, desto mehr auf Ausschluß Taiwans zu drängen, je stärker der Charakter der Institutionen als zwischenstaatlicher Arrangements zum Tragen kommt. Jedoch spielen in der asiatisch-pazifischen Region weiterhin informelle und paranationale Institutionen eine bedeutende Rolle für die Politik-Koordination und bieten daher weiten Raum für entsprechende Aktivitäten Taiwans und bereiten dann auch den Boden für die Aufnahme in formelle Gremien, wie im Falle der APEC im Jahre 1991 erfolgreich demonstriert. So hat Anfang Oktober die Energiekonferenz der APEC in Taipei stattgefunden und auf diese Weise nach Auffassung taiwanesischer Kommentatoren zu einer weiteren Zunahme der Bedeutung Taiwans in der APEC beigetragen.52 Seit einiger Zeit wird diese Strategie freilich seitens des Präsidenten Lee Teng-hui in einer Weise auch mit politischer Bedeutung belegt, die genau den Stein des Anstoßes für die VR China bot, mit einer groß angelegten Diffamierungskampagne indirekt auf die Stimmung der taiwanesischen Öffentlichkeit Einfluß zu nehmen. So wurde dem Gedanken des "Da Taiwan", des "großen Taiwan" in der Rede zum Nationalfeiertag eine explizite ökonomische und selbstbewußte Sprache unterlegt.53 Die vielfältigen sprachlichen Auseinandersetzungen haben inzwischen eine sehr barocke Form auch in Taiwan selbst angenommen, in denen die politischen Antagonisten stets versuchen, die eigentlichen Intentionen feiner Varianten offenzulegen, wie etwa in Gestalt der Kritik der "Neuen Partei" an der diesjährigen Praxis vieler ausländischer Vertretungen Taiwans, die Bezeichnung "ROC on Taiwan" zu verwenden und damit also die "Republic of China" als Kürzel hinter "Taiwan" zu treten lassen. 

4.2. Die Einheit Chinas und die deutsche Politik

Wie stellen sich nun aber angesichts derart komplizierter Verhältnisse die Perspektiven einer möglichen Einigung Chinas dar? Während die festländische Seite naturgemäß am Ziel der raschen Einigung nach einem Modell Hong Kongs, freilich mit noch erweiterten Rechten Taiwans, festhält, ist es kein vorgeschobenes Argument der Regierung der Republik China, daß ein demokratisches Taiwan eine Politik verfolgen muß, die den Willen seiner Bevölkerung widerspiegelt.54 Dieser Wille spricht aber eindeutig für die Wahrung des Status quo bei gleichzeitiger Stärkung der internationalen Präsenz Taiwans, und mehrheitlich gegen eine Politik der nationalen Unabhängigkeit, freilich unter dem Eindruck der entsprechenden Konditionierung der VR China, die in diesem Fall eine militärische Invasion angekündigt hat.55 Vertreter der "Democratic Progressive Party" weisen außerdem wohl zu Recht darauf hin, daß die kommende, erste direkte Wahl des Staatspräsidenten einer chinesischen Gemeinschaft selbst ein Verfassungsakt ist, der formal eine nationale Autonomie vom Festland konstituiert, da dieses ein solches Rechtsinstitut gar nicht kennt: Die Wahl des Präsidenten ist nichts anderes als der äußerliche Ausdruck der Souveränität des taiwanesischen Volkes und würde als unverzichtbarer Bestandteil einer Einigung gleich welcher Art weitreichende Implikate für die hypothetische gesamtchinesische Verfassung besitzen.56

Bei genauer Betrachtung gibt es kaum ein sinnvolles institutionelles Szenario für die Vereinigung beider chinesischer Nationen, das nicht den taiwanesischen Entwicklungserfolg und die taiwanesische Demokratie substantiell gefährden würde. Selbst das Modell eines föderativen chinesischen Staates ist kaum realistisch, da dies eine umfassende Liberalisierung des Binnenmarktes verlangte und damit vor allem der Migration zwischen dem Festland und Taiwan. Insofern erschiene nur das Modell der Konföderation oder gar des "Commonwealth" als realistisch, indem Taiwan durch die Vertragskonstruktion indirekte Rechte als Nation durch den Vertragspartner VR China zugesprochen erhielte. Dies wiederum widerspricht fundamental den Interessen der VR China und vor allem der nationalistisch-kulturalistischen Überzeugung, daß zwischen dem Zentrum und der Peripherie keine gleichberechtigten, gegebenfalls multilateralen Verhandlungen geführt werden können.Die Einigung Chinas bleibt also ein fernes Ziel, das eher visionär als realistisch begriffen werden kann.

Kehren wir also abschließend zu der Frage zurück, was der Westen tun kann, um die Entwicklung in der Region auch im eigenen Interesse zu stabilisieren. Die Unterstützung eines weiterhin friedlichen Wachstumsprozesses ist im Interesse der Welt - ein entsprechendes konstruktives Engagement erkennt also dessen große Bedeutung für die Welt an und stellt keine "Einmischung fremder Mächte" dar, auf die seitens der VR China ominös im Kontext der militärischen Bedrohung Taiwans hingewiesen wird. Welche Handlungsmöglichkeiten besitzen andere Länder jedoch? Um diese Frage nicht als abstrakt im Raum stehen zu lassen, seien folgende konkrete Vorschläge formuliert, die an die Adresse der deutschen Außenpolitik gerichtet sind.

1. Unter klarer Anerkennung des Prinzipes, daß die Existenz nur einer chinesischen Nation ein schutzwürdiger politischer Wunsch, aber keine Rechtstatsache ist, muß die de-facto und auch formale Anerkennung Taiwans so weit wie möglich vorwärtsgetrieben werden. Hierzu ist eine gewisse Abstimmung zwischen den verschiedenen westlichen Staaten erforderlich, die andernfalls stets wirtschaftspolitisch erpreßbar bleiben und gegenseitig ausgespielt werden. Begründet wird ein positives Taiwan-Engagement mit der Einsicht, daß die Dynamik der Region wesentlich durch politischen Wettbewerb zwischen den verschiedenen politischen Gemeinschaften des chinesischen Kulturraumes getragen wird.

2. Dieses Maximalprogramm ist natürlich schwer durchsetzbar. Realistisch ist aber eine rasche und maximale Erleichterung aller Kontakte zwischen Taiwan und dem Westen, die nicht politisch belastet sind, wie etwa Reisen und Aufenthalte von Unternehmern in Europa und der Kulturaustausch. Hier gibt es im Reisealltag von Taiwanesen immer wieder Probleme. Bedenklich sind aber beispielsweise Geschehnisse im Umfeld einer Taiwan-Konferenz der internationalen Studentenorganisation AIESEC in Linz (Juli 1995), die explizit unpolitischen Charakter trug und dennoch erheblichem informellen Druck durch die Botschaft der VR China in Österreich ausgesetzt wurde, bis hin zur Abschreckung von Sponsoren und anderen Formen der Sabotage. Hier sollten auf ähnlich informeller Ebene eindeutige Positionen der jeweiligen europäischen Institutionen bezogen werden - stattdessen sagen österreichische Politiker bereits bestätigte Zusagen zur Teilnahme an der Konferenz ab.

3. Deutschland sollte versuchen, eine stärkere Position als Vermittler in der Region einzunehmen, etwa in Gestalt von VIP-Reisen, die von vornherein den chinesischen Kulturraum ins Auge fassen und seine verschiedenen politischen Einheiten. Hierzu ist auch eine größere politische Transparenz erforderlich sowie eine aktive Förderung der Öffnung bestehender Vereinigungen und Verbände für sämtliche Gemeinschaften des chinesischen Kulturraumes, nach dem Vorbild mancher chinesischer Verbände in Deutschland, in denen Taiwanesen und Festländer bereits seit längerem reibungslos und konstruktiv zusammenarbeiten. Diese Beispiele könnten auch für Einrichtungen wie die "Deutsch-chinesische Wirtschaftsvereinigung" Schule machen, die bislang de facto dem "Ein-China-Prinzip" verpflichtet sind.

4. Besonders wichtig kann der Ausbau der subnationalen Länder- und Städtediplomatie werden, bei der Taiwan künftig wesentlich flexibler agieren kann als in der Vergangenheit, da die verschiedenen gebietskörperschaftlichen Ämter inzwischen nach demokratischen Prozeduren besetzt und damit auch von Vertretern unterschiedlicher Parteien repräsentiert werden. Zu denken wäre etwa an Doppel-Partnerschaften mit Beijing und Taibei als Städten oder zwischen Ländern der Bundesrepublik und der Provinz Taiwan der Republik China auf Taiwan, die unterhalb des Zentralstaates angesiedelt und damit keine nationale Institution ist. Auf diese Weise lassen sich viele Konflikte vermeiden, die bei engeren Kontakten auf der nationalen Ebene auftreten.

5. Schließlich sollte es erklärtes Nahziel westlicher Außenpolitik sein, die VR China zu bewegen, die militärische Bedrohung gegen Taiwan formell fallen zu lassen. Angesichts der zunehmenden Unsicherheit in der pazifischen Region, was die strategischen Perspektiven der VR China betrifft, und auch im Kontext der fortlaufenden Auseinandersetzung über Menschenrechtsfragen, wäre es ein Akt großer historischer Bedeutung, wenn beispielsweise eine große Konferenz von Vertretern der Eliten chinesischer Gemeinschaften (nicht "Staaten") und der internationalen chinesischen Kaufmannschaft eine "pax sinica" verkünden würde, die Friede und Handel, nicht Gewalt und Bedrohung, zu den Grundwerten jeder chinesischen Gesellschaft erklärte. Ohne größeren Gesichtsverlust könnte dann auch die VR China schlicht auf die weitere Erwähnung der militärischen Bedrohung gegenüber Taiwan verzichten.

Diese Beispiele zeigen, daß westliche Politiker mit ein wenig Zivilcourage durchaus Mittel und Wege besitzen, dem vielleicht vielversprechendsten Wirtschaftsraum der Zukunft dabei zu helfen, nicht letztlich an der Unfähigkeit zu zerbrechen, die nationale Frage zu lösen. Die Gratwanderung der VR China und der Republik China ist bereits erstaunlich weit gelangt. Nun reicht aber allein der Applaus der Zuschauer nicht mehr aus, um sie fortzusetzen.

1Ich bin dem Erziehungsministerium der Republik China zu Dank verpflichtet, mir im Rahmen einer zwölftägigen Reise im Oktober 1995 die Gelegenheit gegeben zu haben, über die im folgenden vorgetragenen Überlegungen mit Vertretern vieler Organisationen und Institutionen sprechen zu können, die sich mit den Beziehungen Taiwans zum chinesischen Festland befassen. In dieser Arbeit wird das Pinyin-System zur Transkription des Chinesischen verwendet, es sei denn, es gibt bei Eigennamen eine andere, offizielle Transkription. Die Wahl eines Transkriptionsverfahrens ist politisch neutral. Das Papier liegt einer demnächst erscheinenden Publikation in der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte" zur Wochenzeitschrift "Das Parlament" zu Grunde.<zurück>

2 China News, 8. Oktober 1995.<zurück>

3 Nachdem der chinesische Partei- und Staatsführer Jiang Zemin im Rahmen einer Neujahrsansprache "acht Punkte" zur Vereinigung beider chinesischer Nationen verkündet und damit die groÜe Bedeutung der Taiwan-Politik für die chinesische AuÜenpolitik der nächsten Jahre unterstrichen hatte, reagierte die taiwanesische Staatsführung mit einer klaren Betonung des "yi jingmao wei zhu zhou" ("Handel als Hauptachse" der Beziehungen), siehe zusammenfassend China News Analysis No. 1543 vom 15.9.1995.<zurück>

4 Eine knappe Einschätzung der Veränderungen der taiwanesischen Parteienlandschaft vor dem Hintergrund der Festland-Problematik bietet Hermann Halbeisen, The Dynamics of Political and Social Change in Taiwan and Its Effects on the Relations Across the Straits, in: D. Cassel/C. Herrmann-Pillath, Hrsg., The East, the West, and China's Growth: Challenge and Response, Baden-Baden 1995, S. 187-207.<zurück>

5 Siehe Taiwan aktuell Nr. 138, 14.6.1995, S. 4.<zurück>

6 Zu dieser Reise und ihren Folgen im Kontext der Geschehnisse des Jahres 1995 siehe Far Eastern Economic Review vom 22.6.1995, S. 14ff., und vom 14.9.1995, S. 20ff. Die VR China rief gar ihren Botschafter für einige Monate zurück, der dann bei der Rückkehr auch prompt androhte, daÜ die guten wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den USA und der VR China gefährdet würden, wenn die USA nicht eindeutig auf ähnliche Schritte in Zukunft verzichten.<zurück>

7 Werden die Investitionsdaten betrachtet, dann ergibt sich, daÜ zwischen 1979 und 1993 über 80% aller realisierten Investitionen aus Hong Kong, Macao und Taiwan stammten. Im Jahre 1993 betrug diese Zahl rund 58%, wärend etwa Japan 12,59%, die USA 6,83% und Deutschland 0,7% stellten. Siehe die Daten in Liang an tongji yuebao 6/1995, S. 49ff. Ich habe diesen Punkt bereits in C. Herrmann-Pillath, Wachstum und Weltmachtanspruch in China, in: AuÜenpolitik, 4/1994, S. 375-383, herausgearbeitet. <zurück>

8 Diesbezüglich wurde in der Far Eastern Economic Review besonders klar Stellung bezogen, siehe etwa ebd. 27.7.1995, S. 19, 3.8.1995, S. 5, 10.8.1995, S. 14ff., 21.9.1995, S. 7.<zurück>

9 Ein nützlicher Überblick zu dieser Auseinandersetzung ist Zeitpunkte, Heft 4, 1995, mit Beiträgen verschiedener Autoren.<zurück>

10 Die Republik China hat zu keiner Zeit aufgehört zu existieren und kann daher alle Rechte und Pflichten eines Staates der Staatengemeinschaft genieÜen, solange sie sich dieser nicht selbst durch Verfolgung einer Quasi-Hallstein-Doktrin beraubt hatte. Noch eklatanter ist die Situation im Falle des nahenden Beitritts zur World Trade Organization, bei dem die VR China eine zeitliche Priorität beansprucht und daher eventuell den Beitritt Taiwans verzögert. In die WTO treten aber gar keine Staaten ein, sondern handelspolitische Subjekte, also im weitesten Sinne Zollgebiete. So kann etwa auch Hong Kong als Kolonie und auch nach 1997 als Sonderverwaltungszone vollwertiges GATT-Mitglied bleiben. Umgekehrt gibt es keinen rechtlichen Grund, Taiwan einen Beitritt vor der VR China zu verweigern. Zu dieser Problematik siehe Rolf Langhammer, The Formation of Greater China and the Future of the EC-China Relations, in: D. Cassel/C. Herrmann-Pillath, Hrsg., The East, the West, and China's Growth: Challenge and Response, Baden-Baden 1995, S. 281-308.<zurück>

11 Siehe Far Eastern Economic Review vom 3.8.1995, S. 16ff. und Kay Möller, Das pazifische Asien nach dem Ost-West-Konflikt: Schauplatz oder Akteur internationaler Politik?, in: KAS-AI 7/95, S. 3-22.<zurück>

12 Zur "T-Day"-Journalistik in Taiwan siehe jüngst Bernhard Führer, Das T-Day-Szenario - Untergangsstimmung auf Taiwan, in: in Asien Nr. 56, 1995, S. 68-72.<zurück>

13 Dabei ist es kaum möglich, die tatsächliche Stärke und Entwicklung des chinesischen Militärpotentials einzuschätzen. Chinesische Darstellungen (die von manchen westlichen Experten geteilt werden), sprechen eher von einem gewaltigen Nachholbedarf, und daÜ die jährlichen nominalen Zuwachsraten des Budgets durch die Inflation nahezu annuliert würden, und stehen damit in radikalem Widerspruch zu westlichen Analysen wie etwa der RAND-Corporation, die das tatsächliche Budget für 20fach höher einschätzt als das offiziell publizierte; zu dieser Problematik siehe nur South China Morning Post vom 2.6.1995, Far Eastern Economic Review vom 24.4.1995, S. 24f. und aus chinesischer Sicht beispielhaft FBIS-CHI-95-040 vom 1.3.1995, S. 31f., -118 vom 20.6.1995, S. 23-28. Für unsere SchluÜfolgerung ist daher eher die Tatsache wichtig, daÜ die VR China im Jahre 1995 mit verschiedenen militärischen Aktionen (Okkupation des Mischief-Atolls, Raketentests nahe bei Taiwan) eindeutig die Absicht gezeigt hat, ihre Rolle als Regionalmacht militärisch zu fundieren. Hinzu kommt, daÜ selbst wenn die chinesischen Angaben zum Verteidigungshaushalt akzeptiert würden, innerhalb der Region die VR China über sehr sensible Potentiale verfügt, etwa im Bereich der Kurz- und Mittelstreckenraketen. Die taiwanesische Führung sieht daher die VR China als akute Bedrohung an, wie Staatspräsident Lee Teng-hui anläÜlich des Oktober-Manövers "Hua Xing" nochmals deutlich formulierte, siehe Lianhe wanbao vom 5.10.1995, S. 1, und Far Eastern Economic Review vom 19.10.1995, S. 18. Umgekehrt hat das Zentralkomitee der KPCh in einem BeschluÜ zur langfristigen Entwicklung bis zum Jahre 2010 die bisherige Taiwanpolitik und damit auch die Androhung militärischer Gewalt aufrechterhalten, siehe Gong shang shibao vom 5.10.1995, S. 2. Diese Position wird besonders von der Pekinger Militärführung vertreten, siehe etwa FBIS-CHI-95-072 vom 14.4.1995, S. 22ff.<zurück>

14 Zum wenig eindeutigen Zusammenhang von Demokratie und Marktwirtschaft siehe nur das Symposium im Journal of Economic Perspectives Vol. 7(3), 1993, mit Beiträgen u.a. von Huber und Rueschemeyer. In der Region, aber auch seitens der Wissenschaft wird der wachsende Nationalismus intellektueller, politischer und wirtschaftlicher Eliten der VR China mit zunehmender Sorge betrachtet, bringt er doch an den Rändern auch neofaschistische Strömungen zu Tage, wie etwa das Buch "China, betrachtet mit einem Dritten Auge", das Wang Shan unter dem Pseudonym des deutschen Sinologen "Leuninger" publiziert hat und das von Teilen der Eliten sehr positiv rezipiert wurde. Der Text ist nun in englischer Übersetzung zugänglich, siehe Wang Shan: Viewing China Through a Third Eye, China Supplement, FBIS-CHI-95-075-S vom 19.4.1995. Einen Gesamtüberblick bietet der Artikel von Geremie BarmÚ: To Screw Foreigners is Patriotic: China's Avant-Garde Nationalists, in: The China Journal, Vol. 34, 1995, S. 209-238.<zurück>

15 Dies präsentiert aber umgekehrt auch für die VR China erhebliche Probleme; vgl. Xiaoxiong Yi, China's U.S. Policy Conundrum in the 1990s: Balancing Autonomy and Interdependence, in: Asian Survey, Vol. XXXIV, No. 8, 1994, S. 675-691.<zurück>

16 Zur strategischen Vernetzung zwischen japanischen und auslandschinesischen Festlandoperationen und ihrem Kontext der veränderten Strukturen japanischer Direktinvestitionen im Ausland siehe Zhongguo tong shangye zazhi, 9/1995, S. 116ff., und Liu Renjie, Riben chanye jiegou bianhuan yu liang an touzi dongxiang, in: Jingji qianzhan Nr. 41, 1995, S. 86-89.<zurück>

17 Es seien nur einige der wichtigsten Beiträge erwähnt: Paul A. Cohen: The Post-Mao Reforms in Historical Perspective, in: The Journal of Asian Studies Vol. 47, 1988, S. 518-540; John Fitzgerald: The Nationless State: The Search for a Nation in Modern Chinese Nationalism, in: The Australian Journal of Chinese Affairs, Vol. 33, 1995, S. 75-106; oder John Townsend: Chinese Nationalism, in: The Australian Journal of Chinese Affairs, No. 27, 1992, S. 97-130. Die Zusammenhänge zwischen den Auffassungen der politischen Eliten in verschiedenen Phasen der Entwicklung sind inzwischen recht klar, weniger klar ist aber die Frage der "Little Tradition", die inzwischen Wang Yi, Zhongguo minjian zongjiao yu Zhongguo shehui xingtai, noch unveröffentlichtes Manuskript des "European Project on China's Modernization", Bochum/Duisburg 1995, in Angriff genommen hat, sowie ich selbst in C. Herrmann-Pillath, Strange Notes on Modern Statistics and Traditional Popular Religion in China: Further Reflections on the Importance of Sinology for Social Science as Applied on China, erscheint in: E. von Mende/L. Bieg, Hrsg., Ad Seres et Tungusos, Festschrift Martin Gimm, Wiesbaden 1995.<zurück>

18 Der indisch-amerikanische Historiker Prasenjit Duara hat dies in einem beeindruckenden Text aufgearbeitet: Minguo de zhongyang jiquanzhuyi he lianbangzhuyi, in: Ershiyi shiji No. 25, S. 27-42. Es muÜ aber betont werden, daÜ der chinesischen Föderalismus sich immer als alternativer Weg einer Neukonstitution der Einheit Chinas verstand, nicht als Separatismus und damit als Bestreben, diese Einheit endgültig abzuschaffen. Vielmehr sollte der historische Tatbestand starker lokaler und regionaler Subkulturen, der in vielen Bereichen der chinesischen Gesellschaft eine groÜe Bedeutung besitzt, auf der Ebene einer Verfassung erstmals formal anerkannt werden. Siehe hierzu auch in englischer Sprache John Fitzgerald: "Reports of My Death Have Been Greatly Exaggerated": The History of the Death of China, in: Goodman, D.S.G./Segal, G., Hrsg. (1994), China Deconstructs - Politics, Trade and Regionalism, London/New York 1994, S. 21-58. Diese Spannung zwischen Zentralregierung und Regionen ist in der Geschichte des 20. Jhds. immer wieder verdeckt worden, spielte aber stets eine entscheidende Rolle für die politische Dynamik, beispielsweise im Kontext der teilweise scharfen wirtschaftspolitischen Auseinandersetzungen zwischen Zentralisten und Regionaleliten über eine "binnenorientierte Entwicklungstrategie", siehe Maruyama Nobuo, Hrsg., Changjiang ryFORMEL \O(u;Ü)§iki no keizai hatten, TFORMEL \O(o;Ü)§kyFORMEL \O(o;Ü)§ 1993, S. 194-220.<zurück>

19 Hierzu vor allem Allan Chun, From Nationalism to Nationalizing: Cultural Imagination and State Formation in Postwar Taiwan, in: The Australian Journal of Chinese Affairs No. 31, 1994, S. 49-72.<zurück>

20 Ein sehr guter Überblick zu diesen Prozessen ist Linda Chao/Ramon Myers, The First Chinese Democracy, Political Development of the Republic of China on Taiwan, 1949-1994, in: Asian Survey, Vol. XXXIV, No. 3, S. 213-230. Den Zusammenhang zwischen Demokratisierung und (sub)ethnischen Spannungen arbeitet besonders klar heraus Chang Mau-kuei, Toward an Understanding of Sheng-chi Wen-ti in Taiwan: Focusing on Changes after Political Liberalization, in: Chen Chung-min et al., Hrsg., Ethnicity in Taiwan: Social, Historical, and Cultural Perspectives, Taipei 1994, S. 93-150.<zurück>

21 Ich habe beide Entwicklungen zusammenfassend dargestellt, und zwar für den Fall Taiwans in C. Herrmann-Pillath, Wirtschaftsintegration durch Netzwerke: Die Beziehungen zwischen Taiwan und der Volksrepublik China, Baden-Baden 1994, drittes Kapitel,und für den Fall des Festlandes in Marktwirtschaft in China, Geschichte - Strukturen - Transformation, Opladen 1995, viertes Kapitel.<zurück>

22 Soeben ist von der taiwanesischen Regierung - noch ohne nähere Spezifikation - mitgeteilt worde, daÜ die VR China offenbar versucht, über Mittelsmänner auf die künftigen taiwanesischen Wahlen EinfluÜ zu nehmen, siehe Lianhe bao vom 12.10.1995, S. 1.<zurück>

23 Beispielsweise wird seit mehr als einem Jahr die Rede vom "GroÜen Taiwan" durch Lee verbreitet. Die entsprechende Formel wird jedoch immer weiter modifiziert, etwa auf Plaketen jetzt als "Jingying da Taiwan, fuxing xin zhong yuan", also "das groÜe Taiwan führen, eine neue Zentralebene schaffen". "Führen" betont hier den wirtschaftlichen Aspekt ("Management"), und der Begriff der "zentralen Ebene" ersetzt hier denjenigen des "China" ,"Zhongguo", und ist schwer interpretierbar, da er sich auf die Wiege der chinesischen Kultur bezieht, nämlich das LöÜplateau des Gelben Flusses. Es stellt sich dann nämlich die Frage, ob hier an eine neue Geburt von "Chineseness" in Taiwan als eigenständiger Gesellschaft gedacht wird, oder ob schlicht die chinesische Frage entpolitisiert und auf eine kulturelle Ebene transferiert werden soll.<zurück>

24 Siehe Taiwan aktuell Nr. 153, 27.9.1995, S. 2, und Shangye zhoukan, 2.10.1995, S. 48ff. Diese Position hatte Shih freilich schon früher vertreten, siehe etwa FBIS-CHI-95-051-S vom 16.3.1995, S. 81ff.<zurück>

25 Ich habe dies in anderen Arbeiten stärker berücksichtigt, vor allem in C. Herrmann-Pillath Wirtschaftsintegration durch Netzwerke: Die Beziehungen zwischen Taiwan und der Volksrepublik China, Baden-Baden 1994.<zurück>

26 Nach den statistischen Monatsberichten der Republik China, Liang an jingji tongji yuebao, 6/1995. Das "Mainland Affairs Council" bietet inzwischen überarbeitete Daten etwa zum Handel über Hong Kong, die oft erhebliche statistische Diskrepanzen zwischen den Angaben der VR China, Hong Kongs und Taiwans auszugleichen suchen. Im Falle des Volumens der Direktinvestitionen ist dies freilich ein hoffnungsloses Unterfangen. Es ist hier aus Platzgründen leider nicht möglich, die statistischen Probleme eingehender zu diskutieren.<zurück>

27 Es wird geschätzt, daÜ der Handel am Jahresende mehr als 20 Mrd. US$ Volumen erreichen wird. Siehe Jingji ribao (Taiwan) vom 11.10.1995, S. 11.<zurück>

28 Durch die wachsenden Spannungen zwischen dem Festland und Taiwan hat sich freilich die Zuwachsrate der Investitionen stark verlangsamt und liegt inzwischen nurmehr bei 9% im Jahresvergleich (allerdings ist beispielsweise die Investitionstätigkeit in den ASEAN-Ländern sogar zurückgegangen), Gong shang shibao vom 7.10.1995, S. 4. Hier dürften sich auch gewisse Sättigungstendenzen abzeichnen, soweit die bislang führenden kleinen und mittleren Unternehmen betroffen sind. Es fragt sich also, ob an deren Stelle die groÜen Unternehmen - hier auch die öffentlichen - künftig die Rolle der Investitionslokomotive spielen werden. Ein wichtiges Problem bei der Schätzung der taiwanesischen Investitionen besteht in der möglichen Beteiligung von Taiwanesen an anderen Projekten, die über ausländische Konsortien oder Investmentgesellschaften organisiert werden. Es gibt Stimmen, die inzwischen davon ausgehen, daÜ Taiwan bereits vor Hong Kong der gröÜte Investor auf dem chinesischen Festland ist.<zurück>

29 So die jüngste Untersuchung der taiwanesischen Chung Hua Institution of Economic Research, zusammengefaÜt von Gao Zhang (Kao Charng)/Wu Shiying, Taiwan pu da lu touzi dui Taiwan jingji de yingxiang, in: Jingji qianzhan Nr. 40, Juli 1995, S. 40-44. Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangte eine andere, stark differenzierte Untersuchung zu den Risiken einer zu groÜen Abhängigkeit der Exporte vom Festlandmarkt, siehe Lin Yujun, Dui Zhongguo dalu gao chukou yiding gao fengxian ma?, in: Jingji qianzhan Nr. 41, 1995, S. 52-57.<zurück>

30 Zu dieser Strategie siehe Chen Tianzhi, Taiwan dui Ou Mei zhijie touzi de xingtai ji xiaoguo, in: Jingji qianzhan, Nr. 40, 1995, S. 36-39, und ein Beispiel in Gong shang shi bao vom 4.10.1995, S. 12.<zurück>

31 Zum ersten Liang an jingmao tongxun, 9/1995, S. 26, South China Morning Post vom 7.9.1995. Solche Verhandlungen gehen auf die grundsätzliche Entscheidung der taiwanesischen Seite zurück, den eigenen öffentlichen Unternehmen wesentlich mehr Freiheiten für Festlandoperationen einzuräumen als bislang, wie etwa Tai tang, dem staatlichen Zuckerproduzenten, der in Taiwan zunehmend auf Beschaffungsschwierigkeiten stöÜt. Solche Dinge werden langfristig durch sogenannte "private" (minjian) Branchenvereinigungen und deren Explorationen auf dem Festland vorbereitet. Siehe hierzu Liang an jingmao tongxun, 8/1995, S. 11f. Ein ähnliche Rolle spielt die "Vereinigung zum Schiffsverkehr zwischen beiden Seiten der TaiwanstraÜe", die zur Zeit die vorbereitenden Gespräche zur Einrichtung extraterritorialer Häfen und Direktverbindungen mindestens für Schiffsfracht führt, siehe Gong shang shibao 3.10.1995, S. 2, wobei offenbar sogar Überlegungen angestellt werden, sämtlichen "Export Processing Zones" Taiwans einen solchen Sonderstatus zu verleihen, siehe Liang an jingmao tongxun, 9/1995, S. 13. Zur Flugverbindung über Macao siehe u.a. Gong shang shibao vom 5.10.1995, S. 2, 11.10.1995, S. 2, wo bereits nur von "formal indirekten" Beziehungen gesprochen wird, da die Passagiere von Tapei nach Macao fliegen werden, dort aber nur formell aus- und einchecken, also das gleiche Flugzeug weiter benutzen. Zu den militärischen Kontakten siehe Gong shang shibao vom 4.10.1995, S. 2.<zurück>

32 Beispielsweise spielen Gesprächsforen eine zunehmend wichtige Rolle, die taiwanesische Unternehmer und Festlandbeamte zusammenführen, wie etwa zu Fragen der neuen Wirtschaftsgesetze der VR China und ihrer Auswirkungen auf die Investitionsbedingungen für taiwanesische Unternehmen, siehe Zhonggo tong shangye zazhi, 10/1995, S. 86ff. Bei solchen Gelegenheiten werden dann auch auÜenpolitische Fragen angesprochen, sodaÜ zumindestens aus der Sicht der Festlandunternehmer ein Kommunikationskanal zwischen Taiwan und dem Festland entstanden ist, der neben der offiziellen Strukturen existiert.<zurück>

33 Liang an jingmao tongxun 9/1995, S. 22, 24, und Lianhe bao vom 11.10.1995, S. 3. Verschlüsselt, aber dennoch deutlich wird dies sogar gegenüber Vertretern Taiwans geäuÜert, wie etwa seitens Fujian (Heimatprovinz vieler Taiwanesen), das naturgemäÜ eine besonders ausgeprägte "Neben-AuÜenwirtschaftspolitik" gegenüber Taiwan betreibt, siehe Lianhe bao vom 6.10.1995 und zu den Perspektiven Gong shang shibao vom 9.10.1995, wo eine Strategie ähnlich wie im PerlfluÜdelta bezüglich Hong Kongs angekündigt wird; in Fujian lassen sich jetzt auch zunehmend gröÜere tawanesische Unternehmen und Unternehmens-Netzwerke nieder. Zur diesbezüglichen Rolle Fujians auch zusammenfassend Simon Long, Regionalism in Fujian, in: D.S.G. Goodman/G. Segal (Hg.), China Deconstructs: Politics, Trade and Regionalism, London/New York 1994, besonders S. 216ff. und weitere Beispiele für Aktivitäten in C. Herrmann-Pillath, "Festlandfieber": Politisch-ökonomische Aspekte der Beziehungen zwischen Taiwan und dem chinesischen Festland, Duisburger Arbeitspapiere zur Ostasienwirtschaft Nr. 23, S. 10.<zurück>

34 Das gewohnheitsrechtliche Fundament ist in der besonderen kulturellen Kompetenz von Chinesen zur Verflechtung in Netzwerken zu suchen, knapp skizziert in dieser Zeitschrift bei C. Herrmann-Pillath, Kulturell geprägte Wirtschaftsdynamik und politischer Wandel in China, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B51/1993, S. 3-13. Hinzu kommt aber der Tatbestand, daÜ auch die internationale lex mercatoria vor allem im Bereich der Schiedsverfahren eine wachsende Bedeutung besitzt und für die Beziehungen zwischen Taiwan und der VR China eigentlich die wichtigste Rechtsgrundlage darstellt, siehe ausführlich Chen Dongbi, Tai shang zai da lu jingmao jiufen de tiaochu wenti, in: Liang an jingmao tongxun, 8/1995, S. 3-6, und Susan Finder: Changes in the Legal System, in: Y.M. Yeung,/D.K.Y. Chu, eds., Guangdong, Survey of a Province Undergoing Rapid Change, Hong Kong: Chinese University Press, 1994, S. 355-372.<zurück>

35 Überblicke über die aktuelle Lage der "Taizi qiye xiehui" finden sich in einer laufenden Kolumne des Liang an jingmao tongxun und in der Zeitschrift Zhongguo tong, April 1995, S. 94-103. Der GründungsprozeÜ schreitet zügig fort, es gibt inzwischen 25 solcher Vereinigungen an den wichtigsten Standorten taiwanesischer Unternehmer, mit der neuesten Gründung in Suzhou, Gong shang shibao vom 4.10.1995, S. 9. Neuerdings werden von der KPCh auch überregionale Treffen unterschiedlicher Verbände zugelassen bzw. die Entsendung von Vertretern zu Sitzungen anderer Verbände, siehe Gong shang shibao vom 11.10.1995, S. 9.<zurück>

36 Liang an jingmao tongxun, 4/1995, S. 25, 6/1995, S. 21, 9/1995, S. 12, und Zhongguo tong shangye zazhi 10/1995, S. 110-116.<zurück>

37 Besonders Jonathan Unger/Anita Chan: China, Corporatism, and the East Asian Model, in: The Australian Journal of Chinese Affairs, 1995, Vol. 33, S. 29-54. Vgl. aber bereits ausführlich C. Herrmann-Pillath, Institutioneller Wandel, Macht und Inflation in China: Ordnungstheoretische Analysen zur Politischen Íkonomie eines Transformationsprozesses, Baden-Baden 1991, fünftes Kapitel.<zurück>

38 Zu beiden Beispielen finden sich ausführlichere Belege in C. Herrmann-Pillath, "Festlandfieber", a.a.0., Anm. 34, S. 26. Interessenkonflikte deuten sich gerade auch in klassischen Kapitalexport-Branchen Taiwans an, wie etwa in der Schuhindustrie, bei der festländische Staatsunternehmen zunehmend zu Konkurrenten der taiwanesischen Festlandunternehmen werden und natürlich Vorteile etwa bei der Inputbeschaffung besitzen, siehe Gong shang shibao vom 7.10.1995, S. 11.<zurück>

39 In Asien selbst gibt es sehr kritische Stellungnahmen zur Vision vom "chinesischen Wirtschaftskreis" (Huaren jingji juan), die eher die kompetitiven Interessengegensätze zwischen den Kaufleuten verschiedener chinesischer Gemeinschaften betonen, wie etwa in Zhongshi zhoukan, 11.12.1994, S. 60f.<zurück>

40 Lianhe bao vom 11.10.1995, S 3. Der Bericht beruht auf einer zunächst internen Studie verschiedener Institutionen (u.a. der Chung Hua Institution of Economic Research), die bereits im Juni 1995 abgeschlossen wurde, Da lu touzi huanjing yu Tai shang jingying guanli yanjiu fangwen tuan, yanjiu danwei: Zhonghua minguo qiye jingli xie jin hui, Xingzhengyuan dalu weiyuanhui weituo yanjiu, besonders S. 147ff. Ich bin Kao Charng zu Dank verpflichtet, mir eine Kopie zugänglich gemacht zu haben.<zurück>

41 Zu Fragen der öffentlichen Sicherheit siehe Liang an jingmao tongxun, 1/1995, S. 22, 8/1995, S. 30f., 9/1995, S. 29.<zurück>

42 Gong shang shibao vom 3.10.1995, S. 17.<zurück>

43 Zili wanbao vom 9.10.1995, S. 10.<zurück>

44 Repräsentativ ist der Schwerpunkt im Wirtschaftsmagazin Zhuoye zazhi, 9/1995, S. 28-41, Taiwan ren hai zhen de zheme you qian ma? (Haben die Taiwanesen wirklich noch soviel Geld?)<zurück>

45 Diese Strategie wird zur Zeit intensiv diskutiert, und die Meinungen über die Erfolgschancen des Planes gehen weit auseinander; zu den folgenden Ausführungen siehe verschiedene Beiträge in Jingji qianzhan Nr. 41, 9/1995, S. 10-27, 78-90, 104-109.<zurück>

46 Im Überblick siehe Far Eastern Economic Review vom 6.4.1995, S. 66f.<zurück>

47 Es gibt bereits entsprechende Erfahrungen und Untersuchungen, siehe Liang an jingmao tongxun 12/1994, S. 10, 1/1995, S. 7, Zhongguo tong shangye zazhi 5/1995, S. 94ff.<zurück>

48 Vgl. S. Heilmann, Beijing and the 1997 Takeover of Hong Kong: Centralized Political Control and the Promise of Autonomy, in: D. Cassel/C. Herrmann-Pillath, Hrsg., The East, the West, and China's Growth: Challenge and Response, Baden-Baden 1995, S. 233-248.49 Liang an jingmao tongxun, 9/1995, S. 11, zum Entwurf für das Gesetz zu den Beziehungen mit Hong Kong nach 1997, das vorsieht, Unternehmen Hong Kongs mit einem mehr als 20%igen festländischen Kapitalanteil das Niederlassungsrecht in Taiwan zu verweigern.<zurück>

50 Zu einem solchen Fall siehe Gong shang shibao vom 4.10.1995, S. 27, wo der Gang zur Börse in Taiwan dem Mutterunternehmen vermutlich verweigert wird. Zu den Finanzierungsproblemen und -formen taiwanesischer Festlandunternehmen siehe Yang Yahui/Du Yingyi, Dong nan ya ji dalu Tai shang zhi zijin huodong, in: Jingji qianzhan Nr. 40, 1995, S. 46-48, und C. Herrmann-Pillath, Wirtschaftsintegration durch Netzwerke, a.a.O., Anm., S. 212ff..<zurück>

51 Im Überblick siehe Stuart Harris, Policy Networks and Economic Cooperation: Policy Coordination in the Asia-Pacific Region, in: The Pacific Review, Vol. 7, No. 4, 1994, S. 381-395.<zurück>

52 So die Zili zaobao vom 3.10.1995, S. 10. Solche Einrichtungen und Treffen eröffnen dann auch die Möglichkeit vielfältiger Kontakte und Kooperationsformen zwischen Vertretern beider Seite der Taiwanstraße, wie anläßlich dieser Konferenz wiederum von festländischer Seite betont, Gong shang shibao vom 4.10.1995, S. 2. Ein guter Überblick über die "policy networks" Taiwans ist Gary Klintworth, Taiwan's Asia-Pacific Policy and Community, in: The Pacific Review, Vol. 7, No. 4, 1994, S. 447-455.<zurück>

53 Genauer siehe oben, Anm. 24. Zum folgenden auch Lianhe bao vom 11.10.1995, S. 1f. <zurück>

54 Erst jüngst ist die Formel von "einem Staat, zwei Systemen" von der Seite der VR China wieder deutlicher als noch zu Jahresbeginn betont und ebenso deutlich von Taiwan abgelehnt worden, siehe Zhong shi wanbao vom 3.10.1995, S. 2. <zurück>

55 Zu beachten ist, daß die Verschlechterung des Image der VR China bei der taiwanesischen Bevölkerung bereits 1994 eingesetzt hatte und in den letzten Monaten nur verstärkt wurde, siehe Yu-shan Wu, Taiwan in 1994, Managing a Critical Relationship, in: Asian Survey Vol. XXXV, No. 1, 1995, bes. S. 65. Bereits 1994 befürworteten nur noch 20,8% der Befragten in Meinungsumfragen eine Vereinigung mit der VR China.<zurück>

56 Vgl. den Kommentar in Gong shang shibao vom 6.10.1995, S. 3.<zurück>
 
 


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